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Am Teide

Aus: Pfade hinaus, Episoden der Erinnerung

Immer weiter führte uns die Straße nach oben. Die Wälder wurden von Sträuchern und Büschen abgelöst; grüne, gelbe, graue und blaue Polster bedeckten die vulkanische Landschaft. Wir befanden uns in der Caldera de las Canadas, aus deren nördlichem Rand der Pico del Teide aufragt. Am Fuße des gigantischen Kegels, der den Himmel beherrschte, dehnte sich eine hügelige Fläche von gelbrotem Tuff aus. Die Straße durchquerte erstarrte Lavaströme, braune und schwarze, in bizarre Brocken aufgesplitterte Steinfelder.

Columbus sah 1492 den Teide noch tätig. Alexander von Humboldt bestieg in tagelanger Anstrengung die Spitze des Vulkans. Heute bringt eine Seilbahn Touristen hinauf. Wir verzichteten auf deren Benutzung und untersuchten stattdessen die Umgebung der Los Roques, von Felstürmen, die man als Reste des Urvulkans ansieht. Wir kletterten auf kahle Hügel und gingen durch flache, von Eidechsen durchhuschte, von Mufflonkot bestreute Schluchten. Die Hänge waren mit Büscheln weißen Ginsters betupft.

Hinunterfahrend kreuzten wir wieder die Vegetationszonen über, in und unter den Wolken. In La Orotava betraten wir das aus Kiefernholz gebaute Haus eines Adligen von gestern. Einst ritt der Hausherr in den Patio, den Innenhof. Deshalb ist das Tor so hoch, mit einer kleinen Tür für Unberittene. Humboldt, der hier vorüberkam, schrieb, die Häuser seien fast durchweg einem Adel eigen, der für sehr stolz gelte. Verwandten Stolz findet man auch heute. Nicht weit entfernt stand auf einem Platz ein ebenmäßig gewachsener Drachenbaum und verband stumm die Zeiten.

Zum Anfassen nahe stand ich vor den Pyramiden von Güimar. Die ganze Anlage in dem fruchtbaren Tal ist, soweit sie freigelegt wurde, viel zu kompliziert, als daß sie „Agrarzwecken“ gedient haben könnte. Die aus geschnittenem Lavagestein exakt aufgeführten Bauwerke aus vorspanischer Zeit wirkten relativ klein. Aber vieles und nicht nur die Treppen, die an den Westseiten nach oben auf eine Plattform führen, erinnerte an Pyramiden in Ägypten, Mexiko und Peru.

2005

 

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